Königliche Würde
Emmanuel Macron ist der alte und neue Präsident von Frankreich. Das ist keine große Überraschung. Was mich aber immer wieder fasziniert ist die Art und Weise, wie in Frankreich der Stichwahlabend abläuft. Während wir in Deutschland ab 18.00 Uhr im Sekundentakt mit aktuellen Hochrechnungen bombardiert werden, wird hier das Ergebnis erst um Punkt 20.00 Uhr bekannt gegeben. Vielleicht gibt es unter der Hand Hochrechnungen, aber der Großteil der Franzosen sitzt vor dem Fernseher und wartet auf den Count Down wie auf einen Raketenstart in Cape Canaveral. Davor sieht man zwei Stunden lang die Anhänger er beiden Kandidaten an den jeweiligen Hochburgen. Die Anhänger von Macron, siegessicher, warteten vor dem Eifelturm, die von Marine Le Pen etwas abseits. Diese hatte allerdings für den Fall eines Überraschungssieges eine ganze Armada von Bussen bestellt, die ihr Gefolge so schnell wie möglich zu den Champs Elysee bringen sollte. Zahlreiche Fernsehreporter haben sich unter die wartenden Mengen gemischt, interviewen die Anhänger und geben die Stimmung in den jeweiligen Lagern wieder. Und dann endlich der Count Down: 10 – 9 – 8 – 7 – 6 – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 …der neue Präsident heißt Emmanuel Macron! Der wir sehnsüchtig erwartet und endlich, endlich fährt die Wagenkolonne langsam vor. Macron winkt königlich der wartenden und Fähnchen schwenkenden Menge zu (man denkt unweigerlich an eine Parade der Queen in London). Schließlich wird er auf dem gesamten Weg zum Siegerpodium vor dem Eiffelturm, den er Hand in Hand mit seiner Frau antritt, in Großaufnahme gefilmt. Endlich am Podium angelangt, ertönt die „Ode an die Freude“. Was für ein würdevoller Auftritt!
Es erstaunt und belustigt mich immer wieder, dass ein Volk, das es geschafft hat, seinem König den Kopf abzuschlagen, so euphorisch diesem königlichen Spektakel beiwohnt.